Taktgeber und Teamplayer

Was ich beim Conga spielen über Führung gelernt habe

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1. April 2024

Führung & Philosophie

4 min.

Seit vielen Jahren nehme ich mehr oder weniger regelmäßig Unterricht für Congas, einer Fasstrommel aus Kuba. In erster Linie sind Congas ein Begleitinstrument, das seine Fähigkeiten vor allem  im Zusammenspiel mit anderen entfaltet. Inzwischen habe ich mit verschiedenen Lehrern und Lehrerinnen gearbeitet, in vielen Gruppen und Workshops mitgespielt und mich mehr und mehr in die Welt der afrikanischen und afro-amerikanischen Rhythmen hineinbegeben. Dabei habe ich einige interessante Dinge gelernt, die mich als Coach inspiriert und einiges über Führung zu sagen haben.

 

Trommeln als Sprache

Trommeln ist seit Jahrtausenden eine Form der Kommunikation. Komplexe Rhythmen oder Polyrythmen entstehen immer in Gruppen, oft mit unterschiedlichen Instrumenten, die durch ihren jeweils eigenen Rhythmus miteinander sprechen, gegenseitige Pausen nutzen, ihre eigene Tonart einbringen und im Zusammenspiel ein filigranes Gewebe erzeugen.

Daher gilt es, neben der eigenen Sprache auch die Sprache der anderen Instrumente zu kennen und zu verstehen. Man muss sich aufeinander einlassen und aufmerksam zuhören, damit das Stück als ein Ganzes schwingt: es ist viel mehr als die Summer seiner Teile. Insofern hat gemeinsames Musizieren mit Perkussionsinstrumenten viel mit dem Dialog gemeinsam: der Fokus liegt auf dem Zusammenspiel unterschiedlicher Stimmen, die durch den bewussten Austausch untereinander etwas Neues schaffen.

 

Den Rhythmus halten

Wie einfach ist das denn – so dachte ich. Tatsächlich ist es eine Kunst, einen Rhythmus ganz konsequent und regelmäßig über eine längere Zeit zu halten. Häufig wurde ich ermahnt, nicht zu schnell oder „zu weit vorne“ zu spielen. Den Schlag an der richtigen Stelle zu setzen, eher langsamer und dafür richtig – das war für mich nicht selbstverständlich. Zu groß war die Sorge, den richtigen Zeitpunkt zu verpassen oder aus dem Takt zu kommen und daher lieber zu früh als zu spät zu sein. So oder so – dicht vorbei ist im Rhythmus auch daneben und muss korrigiert werden. Mit der Zeit lernte ich, ein genaueres Gefühl für das richtige Timing zu entwickeln und konnte dadurch sowohl besser mit anderen spielen als auch meine Fähigkeiten zur Improvisation entwickeln.

Das richtige Timing im Sinne eines nachvollziehbaren regelmäßigen Rhythmus ist grundlegend für den Zusammenhalt der Gesamtstruktur, denn so entsteht Orientierung und Klarheit. Als Führungskraft macht es sich bezahlt auf den Rhythmus und das Timing im Umgang mit dem Team zu achten. Zum Beispiel durch Regeltermine, Einhaltung von vereinbarten Terminen und angesetzten Zeiten. Das gibt dem Team Sicherheit in der Organisation ihrer Zeit und ermöglicht effektiveres Arbeiten für alle.

 

Ein Gefühl für das Musikstück entwickeln

Jedes Stück ist anders und will anders begleitet werden. Manchmal braucht es einen sanften und unterstützenden Rhythmus, manchmal ist feuriges Treiben angezeigt. Je nach Musik gilt es, sich eher in den Rhythmus hineinzulegen oder ganz eindeutig strukturierende Akzente zu setzen.

Genauso ist auch jedes Team und jede Gruppe verschieden und muss sich in unterschiedlichen Situationen bewähren. In der Führung gilt es darauf zu achten, wann ein entspannterer Rhythmus angesagt ist – zum Beispiel in Jahresgesprächen mit Mitarbeitenden oder in Retrospektiven – und wann ein energetisierendes Tempo Menschen in Bewegung setzen soll, zum Beispiel in einem Kick-off für ein größeres Projekt.

 

Improvisieren mit Maß

Wenn wir bei Percussion an Improvisation denken, kommt sogleich der Gedanke an ein Trommelfeuer im Solo auf. Tatsächlich ist die begleitende Improvisation mit viel mehr Feingefühl unterwegs. Akzente setzen, Pausen nutzen, eine Melodie entwickeln, Wirbel als Verzierung – all diese Elemente gekonnt einzusetzen erfordert nicht nur ein Mindestmaß an technischem Können, sondern auch ein Gespür für Timing im Zusammenspiel mit anderen. Wann bin ich dran? Wie lange? Wann ist es Zeit, die anderen „zu Wort“ kommen zu lassen?

In jedem Meeting gibt es Zeiten für klare Abläufe und Zeiten für Improvisationen – wenn eine einzelne Person mit ihrem Instrument und Thema im Vordergrund steht. Entscheidend hierbei ist, dass die Improvisation immer noch zum Gesamtbild passt und Rücksicht auf die anderen nimmt. So können reihum Soli vergeben werden oder – wenn die Gruppe sehr gut eingespielt ist – die Improvisation im wie von selbst Wechsel erfolgen.

 

Takt und Struktur geben

Im Zusammenspiel ist auch die einfachste Stimme wichtig, denn es braucht ein Instrument, das den Takt gibt und hält. Und im Gegensatz zu unseren landläufigen Ideen des Taktgebers als jemanden, der vorne steht und „ansagt“, erfolgt die Taktgebung im Ensemble von innen und hinten – meistens durch ein einfaches Schlaginstrument wie Klanghölzer. Daran orientiert sich die gesamte Gruppe, das Stück behält den inneren Zusammenhalt und eine klare Struktur. Wenn hier der Takt nicht mehr stimmt, zerfällt das Musikstück, wird schwammig und verliert seine Dynamik.

Die klare Struktur ermöglicht es den anderen Spielerinnen, sich im Rahmen ihrer Stimmen zu bewegen, sich fluide auf das gesamte Stück einzulassen und zu improvisieren. Als Führungskraft kann ich mich fragen, ob ich auch bereit bin, den Takt von hinten zu geben anstatt immer vorne zu stehen. Vielleicht gibt es auch andere Taktgeber im Team. Bekommen diese genügend Wertschätzung für ihre stabilisierende Tätigkeit?

 

Alle sind beteiligt

Mit das schönste an Perkussion ist die Möglichkeit, dass alle mitmachen können. Denn ein einziger einfacher Rhythmus kann genügen, um einen wertvollen Beitrag zum Ganzen zu leisten – vorausgesetzt, diejenige Person kann den Rhythmus taktsicher halten! So können Perkussionisten unterschiedlicher Niveaus zusammenspielen und wunderbare Musik zustande bringen.

In diesem Sinne lohnt es sich im Team passende Aufgaben für „Neue“ und Nicht-Expertinnen zu finden, die spürbar zum Wohl des Gesamten beitragen. Der Gesamtklang entsteht durch die Vielfalt der Instrumente, und da ist sicher eines dabei, mit dem auch weniger Erfahrene ein Meeting bereichern können. Führung heißt in diesem Fall, Aufgaben entsprechend der Fähigkeiten der Teammitglieder zu verteilen, ohne die einen zu überfordern oder die anderen zu langweilen. Wenn alle wissen, was die einzelne Stimme zum Ganzen beiträgt, entsteht gegenseitige Wertschätzung und Spaß am Zusammenspiel.

 

Einander nicht in die Quere kommen

„Das wichtigste ist, dass man einander nicht in die Quere kommt.“ Das war die Antwort eines langjährigen Musikers auf meine Frage, was eine Band großartig macht. Dazu gehört genau zu wissen, wann man dran ist und wann man sich zurücknimmt um anderen den Raum für ihren Beitrag zu lassen.

Die Kunst besteht also aus zweierlei. Einerseits muss man seinen eigenen Rhythmus und sein Instrument sicher spielen können. Außerdem gilt es, das genaue Zuhören zu kultivieren – auf jede einzelne Stimme und auch auf das Gesamte. Schlussendlich muss man nicht immer vorne stehen und mit einem Solo brillieren um etwas zu bewirken. Manchmal reicht es einfach den Takt sicher zu halten, damit alle anderen sich auf „ihr Ding“ im Gesamtspiel konzentrieren können und dadurch das Ganze zum Schwingen bringen.

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